Multiplikatoren für jüdische Geschichte
Dietmar Lange, Jürgen Kösters und Willi Hecker schulen Lehrer
Der Beginn der Judenverfolgung unter den Nationalsozialisten wird im November 80 Jahre zurückliegen. Zur Vorbereitung auf die geplante Holocaust-Gedenkfeier hat sich ein Arbeitskreis gebildet, der möglichst viele Warsteiner aller Altersgruppen einbeziehen möchte.
Aus diesem Grund hatte Dietmar Lange am Dienstagnachmittag die Lehrer weiterführender Schulen zu einer Fortbildung ins Rathaus eingeladen. Schließlich, so der Ortsvorsteher, seien die Pädagogen wichtige Multiplikatoren, die das Wissen um Ausgrenzung und Vertreibung der Warsteiner Juden über Generationen hinweg weitergeben könnten. „Würden wir gern, aber tatsächlich kennen wir die lokalen Gegebenheiten nicht besonders gut und vor allem wissen wir nicht, an wen wir uns wenden könnten“, bestätigte einer der Teilnehmer die Notwendigkeit zum Nachhilfeunterricht. Die Referendare kommen in der Regel nicht aus Warstein. Geeignete Ansprechpartner zu finden ist für sie oft schwierig.
„Jetzt kennen wir uns ja“, freute sich Lange und stellte der Gruppe mit Jürgen Kösters einen Spezialisten vor, der „die Geschichte der jüdischen Mitbürger in Warstein“ sorgfältig aufgearbeitet und aufgeschrieben hat. Von der ersten jüdischen Ansiedlung in Warstein im Jahr 1664, über die Gründung der ersten Religionsgemeinde (1852), bis hin zum erzwungenen Verkauf der Synagoge im Juni 1938 informierte er die interessierten Teilnehmer. Sie bekamen die persönliche Lebensgeschichte des Warsteiner Juden Bruno Frankenthal ebenso an die Hand, wie den „Ablauf der Reichspogromnacht im Einzelnen“.
Den Exodus seiner Glaubensbrüder und Schwestern hat der nach Argentinien geflüchtete Walther Hirsch ausführlich beschrieben. Seine Erinnerungen gehören nun zum Arbeitsmaterial der Lehrer. Auf dem „Unterrichtsplan“ standen auch die „Rückgabe jüdischer Besitzungen“ nach dem Krieg, sowie die Verlegung von zwölf Stolpersteinen zur Erinnerung an die Warsteiner Juden im März 2015. Unter der Überschrift „Jüdisches Schicksal in Schiefer“ berichtete der Sichtigvorer Ortsheimatpfleger Willi Hecker über das „Judenhaus“ und seine Bewohner an der Hammerbergstraße. Zu ihrem Nachlass gehört eine Schieferplatte mit eingemeißelten Namen und Texten aus der Familiengeschichte. Hecker: „Sie sind die seltenen, oft nur einzigen Zeugnisse und Spuren von jüdischen Menschen, die in den Jahrzehnten um 1900 in Sichtigvor lebten oder hier Gäste waren.“
Eine kleine Exkursion ergänzte die theoretischen Ausführungen. Zunächst steuerte die Gruppe die Stolpersteine an der Hauptstraße an. Weiter ging es zur Synagogengasse. Vor der Gedenktafel am ehemaligen Standort des jüdischen Gotteshauses, das nach dem Krieg zur Scheune umfunktioniert und später abgerissen wurde, erinnerte sich Jürgen Kösters an seine Kindheit: „Ich war oft hier und habe noch den blauen Sternenhimmel gesehen.“ Letzte Station war der jüdische Friedhof unterhalb der Alten Kirche. „Wir würden uns freuen, Sie und vor allem Ihre Schüler im November hier zu treffen“, verabschiedete Dietmar Lange die Gruppe nach ausführlicher Besichtigung. Doch so lange wollen die Pädagogen nicht warten. Sie ließen sich die Kontaktadressen der Arbeitskreismitarbeiter geben und wünschten sich die Fortsetzung des außergewöhnlichen Geschichtsunterrichts.
Soester Anzeiger vom 26.04.18
